Geruchstarnung
Wie man nicht gerochen wird. Funktion, Technik und Erlebnisse unter der geruchslosen Tarnkappe.
Die Leistungsfähigkeit der Sinnesorgane von Wildtieren ist denen des Menschen in mancher Hinsicht weit überlegen. Besonders ausgeprägt ist ihr Geruchssinn. Während der Geruchssinn für Menschen im Vergleich zu Sehen, Hören und Tasten gemeinhin für weniger wichtig gehalten wird, ist er für das Überleben der Wildtiere essentiell.
Der Geruchssinn dient den Wildtieren zur Identifizierung von Nahrung, übermittelt Botschaften im Sozialverhalten, grenzt Reviere ab, markiert Wege, steuert das Sexual- und Paarungsverhalten und dient natürlich auch der Unterscheidung der Artgenossen von Fressfeinden.
Die besondere Bedeutung des Geruchssinnes von Wildtieren verleiht dem Wind bei der Jagdausübung und beim Beobachten von Wild eine bedeutende Rolle. Der Jäger verteilt seine Witterung bei der praktischen Jagdausübung oftmals über mehrere hundert Meter. Mit der Nichtbeachtung der Windverhältnisse, der Geländeformationen und der Bewaldung verhindert der Jäger den eigenen Jagderfolg. Weil Wild in der Regel instinktiv gegen oder wenigstens mit halbem Wind zieht, gilt das gleichermaßen für die Pirsch und die Ansitzjagd.
Die Verwendung geruchstarnender Materialien integriert den Menschen geruchlich in die Umwelt. Erreicht wird dieser Effekt durch winzige und sehr harte Kügelchen aus Aktivkohle, die auf einem Trägerstoff fixiert in die Bekleidung eingearbeitet werden. Die Aktivkohle hat eine extrem große innere Oberfläche, die Geruchsstoffe aus der Luft filtert und bindet.
Im Gespräch mit Kai-Uwe Kühl erkundet Jochen Schumacher Technologie, Anwendung, Erlebnisse und ethisch-moralische Fragen der geruchlichen Integration des fotografierenden, beobachtenden und jagenden Menschen in die Welt der Wildtiere.
Auch einen ausführlichen Kommentar zum aktuellen jagdpolitischen Geschehen konnten wir uns nicht verkneifen ...
Lieber Jochen, erstmals hat mich der Beitrag nicht zufrieden gestellt. Jagdpolitik und Jagdgesetz war mir viel zu viel vertreten (das Thema war doch Geruchstarnung!) und die Produktwerbung hat mir auch nicht gefallen. Sonst ist der Jagdfunk besser!!!
Hier noch ein paar (ich finde interessante) Ergänzungen zum Thema:
Aus der Tierwelt ist bekannt: Hunde, Ratten, Mäuse produzieren Geruchsstoffe, etwa um Artgenossen vor Gefahren zu warnen oder das eigene Revier zu markieren. Menschen kommunizieren mit Worten und Gesten – können aber nach neuen Erkenntnissen auch über ihre Körpergerüche Botschaften aus-senden. Davon ist der Mensch nach Einschätzung einiger Wissenschaftler wohl in einigen Punkten gar nicht so weit weg. „Der Geruchssinn ist viel wichtiger, als wir bisher angenommen haben und spielt eine Rolle bei der menschlichen Kommunikation“, sagt Prof. Martin Wiesmann Direktor der Klinik für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Aachen. „Über Angstschweiß vermittelt der Mensch die Botschaft „Gefahr“ an andere, die dann selbst ängstlich werden, ohne zu wissen, warum und sie ändern dann sogar nachweislich ihr Verhalten“, erklärt Wiesmann. „Tiere produzieren Botenstoffe, um Artgenossen Nachrichten zu vermitteln, um sie zu warnen oder um einen Partner anzulocken.“ Der Mensch habe diese Fähigkeit im Laufe der Evolution nicht ganz verloren, meint Wiesmann.
Als Körpergeruch bezeichnet man alle riechbaren Körperausdünstungen von Menschen über die Haut und im weiteren Sinne auch aus anderen Körperöffnungen, wie zum Beispiel Mundgeruch. Am deutlichsten wahrnehmbar ist der Geruch von Schweiß, wobei nur die Absonderungen der Schweißdrüsen riechen, die vor allem in den Achseln sitzen. Für den körpereigenen Basisgeruch sind vor allem zerfallende Proteine verantwortlich, ein genetisch festgelegt Prozess und bei jedem Menschen unterschiedlich. Allerdings entstehen die Duftstoffe erst bei der bakteriellen Zersetzung der im Achselschweiß enthaltenen Substanzen, unter anderem körpereigene Fette und Proteine. Reiner Schweiß wäre geruchslos. Geruch kann als abstoßend empfunden werden, gilt jedoch auch als potenziell erotisierend, da die Achselschweiß-Substanz Androstenon ein Abbauprodukt des Sexualhormons Testosteron ist. In Studien hat sich gezeigt, dass im Durchschnitt jedoch nur etwa 70 % der Frauen und gut 60 % der Männer Androstenon überhaupt bewusst riechen können. Jeder Mensch besitzt einen genetisch festgelegten, individuell einzigartigen Körpergeruch, der nur bei eineiigen Zwillingen identisch ist. Je enger die genetische Verwandtschaft, desto ähnlicher ist der Körpergeruch. Wissenschaftler sprechen auch von einem Familiengeruch. Schon Neugeborene erkennen ihre Mutter an den Duftstoffen, die von Drüsen an den Brustwarzen abgegeben werden und können sie so von anderen Personen unterscheiden.
Der Mensch verfügt über etwa 10 Millionen Riechzellen – Hunde verfügen über deutlich mehr, nämlich ca. 120 Millionen Riechzellen. Die Riechzellen des Menschen haben eine Lebensdauer von 4-8 Wochen und werden kontinuierlich erneuert, was für primäre Neurone ungewöhnlich ist. Verbrauchte Zellen werden mit dem Nasenschleim abgegeben. Die Weiterleitung der von den Riechzellen generierten Aktionspotentiale erfolgt in Form einer kontinuierlichen Erregungsleitung. Die Geschwindigkeit ist – gegenüber anderen Nervenzellen des Menschen – sehr gering, sie liegt bei etwa 20 cm/s. Beim Menschen gibt es etwa 1.000 Gene, die Duftstoffrezeptoren codieren. Die Duftstoffrezeptoren der Riechzellen sind nicht sehr spezifisch, d.h. die Zellen können durch sehr unterschiedliche Duftstoffe mehr oder weniger stark erregt werden. Bei lang anhaltender Stimulation adaptieren die Riechzellen. Diese Adaptation hält für einige Sekunden an.
Bei einer Untersuchung der Wissenschaftlerin Ingelore Ebberfeld gab knapp die Hälfte der Befragten an, vom Körpergeruch des Partners sexuell stimuliert zu werden. „Generell kann man sagen, dass Frauen eher von Düften oberhalb und Männer eher von Düften unterhalb der Gürtellinie angezogen werden.“ Sexuell stimulierend wirkende körpereigene Duftstoffe werden wissenschaftlich als „Pheromone“ bezeichnet.
Die unbewusst ablaufende Kommunikation über Körpergerüche hat in den vergangenen Jahren die Neugier von Medizinern und Psychologen geweckt. Im Mittelpunkt des Interesses steht der Angstschweiß. Ein Team um die Düsseldorfer Psychologin Prof. Bettina Pause hatte 2009 nachgewiesen, dass Angst – Studenten sammelten Angstschweiß vor ihren Prüfungen in Wattepads unter den Armen – ansteckend wirkt.
Probanden konnten den stark verdünnten Schweiß gar nicht mehr bewusst riechen, dennoch übertrug sich die Furcht der schwitzenden Studis auch auf sie. „Wir haben seitdem etliche Studien durchgeführt, die das Phänomen alle bestätigen“, sagt die Düsseldorferin und spricht von einer „chemischen“ Kommunikation – sonst nur aus der Tierwelt bekannt.
Lieber Harald,
endlich mal Kritik! Dafür vielen Dank!
Letztlich gibst Du die Impression wieder, die Kai-Uwe und mich schon zur der Aufnahme einholte. Die Umstände erkläre ich gern.
Ich habe Kai-Uwe als einen sehr leidenschaftlichen und engagierten Menschen erlebt. So kam es, dass er am Aufnahmetag – dem Tag nach der Radiodiskussion auf WDR 2 – jagdpolitisch „ordentlich Druck auf dem Kessel“ hatte. Es gab scheinbar keine andere Möglichkeit. Der Druck musste raus.
Zwiegespalten waren wir beide, haben uns aber letztlich entschieden die Aufnahme – wie sie ist – zu veröffentlichen.
Zur Begleitung des aktuellen jagdpolitischen Geschehens habe ich mit Bernd das Jagdlogbuch aufgelegt. Das ist der Kanal, in den ich jagdpolitische Kommentare zukünftig zu leiten gedenke.
Ähnliches gilt für die Produktwerbung. Vielleicht stimmt es gnädiger, wenn man berücksichtigt, dass hinter den Produkten ein Mensch steht, der so sehr an den Erfolg seines Angebots glaubt, dass er sein Vermögen in die Zukunft seines Unternehmens investiert. Nicht selten ist daran nicht nur die eigene, oft ist auch die Existenzgrundlage der Familie mit dem Gelingen verknüpft. Daraus entsteht bisweilen eine Motivation, die ihren Inhaber auch mal über das Ziel hinaustreibt. Besonders, wenn es sich um einen Vertriebs- und Marketingorientierten Kaufmann handelt.
Für Deine ergänzenden Informationen kann ich mich im Namen der Hörer nur herzlich bedanken. Das macht mehr als deutlich welcher Kosmos an Wissen im Bereich des Geruchssinns der Wildtiere noch im Verborgenen liegt.
In jedem Fall ausreichend Stoff für eine eigene Aufnahme. Vielleicht findet sich dazu noch ein kompetenter Gesprächspartner. Sachdienliche Hinweise nehme ich gern entgegen! ;o)
Nochmals vielen Dank für Deine ehrliche Kritik. Das hilft mir und vor allem dem Jagdfunk in eine gute Zukunft.
Lieber Jochen, die Erklärung ist akzeptiert, auch meine Jägerseele „kocht“ durch das „Ökologische (besser: Verlogene) Jagdgesetz NRW“. Hier noch einige weitere Informationen, das Thema lässt mich einfach nicht los:
Ergänzung II:
Fast alle Säugetiere sind sogenannte Makrosmatiker (= „Großriecher“), das heißt, sie orientieren sich stark an der Geruchswelt und sind in der Lage, eine sehr große Anzahl von Düften differenziert wahrzunehmen. Der Riechsinn ist stark ausgeprägt. Das liegt an der besonderen Physiologie ihrer Sinnesorgane. Eine besondere Struktur macht es möglich, dass die Riechschleimhaut auf einer vergrößerten Oberfläche Duftmoleküle auffangen kann. Darin befinden sich bis zu 200 Millionen Riechzellen. Um zu funktionieren, braucht jede Riechzelle einen Rezeptor („Empfänger“), der das Vorhandensein eines bestimmten Stoffes in der Luft in elektrische Impulse übersetzt. Bei Tieren sind 1000 differenzierte Rezeptorarten „in Betrieb“. Entscheidend ist, wie gut die Nervenbahnen auf ihrem Weg zum Bulbus olfactorius, („Riechkolben“) des Gehirns, verknüpft sind. Bei Ratten konnte mit Sicherheit nachgewiesen werden, dass sie „Stereo riechen“, das heißt genau orten können, aus welcher Richtung ein Duft kommt. Schweine, die ausgesprochene „Großriecher“ sind, setzen bei der Trüffelsuche außerdem ihr Organum vomeronasale (spez. „Riechorgan“) ein, einen speziellen Pheromonsensor („Botenstoffempfänger“), der bei Menschen nur stark zurückgebildet vorliegt. Trüffelgeruch ähnelt Androstenon, dem Sexuallockstoff der Eber, und so glauben Sauen, einen potenziellen Partner zu wittern. Inzwischen werden zur Pilzsuche aber vorrangig Hunde eingesetzt, da fündige Schweine zu oft die Trüffel ausgruben und verspeisten.
Die olfaktorische Kommunikation ist die Weitergabe von Informationen durch Gerüche. Wie bei allen Hundeartigen ist auch beim Wolf der Geruchsinn sehr stark ausgeprägt. Er hat eine besonders große Riechschleimhaut, die mit über 200 Millionen Riechzellen besetzt ist. Damit können sie z.B. Buttersäure, ein wichtiger Bestandteil vom Körperschweiss, in einer bis zu einer Million dünneren Konzentration als der Mensch erkennen. Er kann Beutetiere bis zu einer Entfernung von 2-3km wittern.
Labradorhündin Ally arbeitet als Sachverständige. Sie sucht Innenräume zielsicher auf krank machende Schimmelpilze ab. Ihr Einsatz als „Schimmelhund“ ist nur eines von vielen Beispielen für neue und ungewöhnliche Einsatzgebiete tierischer Spürnasen. Artgenossen von Ally sollen, vermutlich über eine veränderte Zusammensetzung im Schweiß der Patienten, Unterzuckerung bei Diabetiker-Herrchen riechen können. Für den Zoll spüren Hunde neben Drogen, illegal eingeschleusten Menschen in Verstecken, Bargeld und Zigaretten auf, inzwischen finden sie sogar geschmuggelte CDs. In Mosambik setzt ein humanitäres Projekt seit Längerem Riesenhamsterratten zum Aufspüren von Landminen ein, mit der gleichen Methode trainiert man sie jetzt dazu, Atemluft und Speichel von Tuberkulosekranken zu erkennen. In Tests waren sie dabei in 86 Prozent der Fälle erfolgreich. Spezifische Komponenten des Erregers (Mycobacterium tuberculosis), lassen sich auch im Labor nachweisen – aber die Ratten sind schneller.
In einigen Staaten ist die Bogenjagd erlaubt. Auf Grund der geringen Reichweite der Jagdbögen müssen die Jäger – wie schon unsere Steinzeitvorfahren – für einen tödlichen Schuss auf kürzeste Distanz an das Wild heran. Ohne den Einsatz von den menschlichen Geruch neutralisierenden oder überdeckenden Mitteln wäre dies undenkbar. Wildhunde würden sich „zur Tarnung“ in Aas wälzen, damit Feinde oder Jagd-Konkurrenten sie nicht wittern. Das ist bei Menschen nicht mehr so üblich. Wie die Jagd in der Steinzeit ausgesehen haben mag, lässt sich nicht sicher nachweisen, Die Menschen hatten einst weniger „Berührungsängste“ mit Geruchstarnung. Hier waren Tarnungen mit Naturgerüchen von Pflanzen (z.B. Farne) und Tieren (z.B. rohe Felle) vermutlich Überlebenswichtig, weil sie gefährlich nahe an ihre Beute heran mussten, um sie mit Speeren erlegen zu können. Die Jagddistanz mit Speeren betrug ja nur 15 Meter: Jenseits davon, haben die Experimentalarchäologen ermittelt, fehlte es an Durchschlagkraft.